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Flügel des Todes: Wie die Verfügbarkeit von Kampfdrohnen Krieg für immer verändern wird

Früher hatten ausschließlich moderne militärische Großmächte Zugriff auf Drohnen. Heute aber kann sich fast jedes Militär billige Drohnen mit hochwertiger Elektronik und tödlicher Munition leisten – und damit ändert sich der Verlauf künftiger Konflikte.
Flügel des Todes: Wie die Verfügbarkeit von Kampfdrohnen Krieg für immer verändern wirdQuelle: Reuters © Patrick T. Fallon

Eine Analyse von Scott Ritter

Die Verbreitung unbemannter Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicles, UAVs, landläufig als Drohnen bezeichnet) hat die Art und Weise, wie heute Nationen Krieg führen, grundlegend verändert. Das beginnt bei der Fähigkeit, im Luftraum eines Gegners präzise Informationen über das Gelände zu sammeln – mit bemannten Flugzeugen undenkbar – bis hin zum diskreten und präzisen Einsatz auch von tödlichen Waffen, die einen "größeren Knall" für das gleiche Geld bieten, wenn es um das Schlachtfeld geht. Während diese Technik den Fachleuten, die sie täglich einsetzen, gut bekannt ist, bleibt sie für einen Laien ziemlich fragwürdig und anrüchig. Er hört zwar oft den Begriff "Drohne", kann aber meist die Auswirkungen vom Drohneneinsatz im Krieg nicht vollständig überblicken.

Erste Versuche im Zweiten Weltkrieg

Das US-Militär interessiert sich seit Langem schon für das Potenzial ferngesteuerter unbemannter Flugzeuge. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Operation Aphrodite modifizierte und mit Sprengstoff beladene B-17-Bomber eingesetzt. Zwar brachten Flugzeugbesatzungen die Flugzeuge in die Luft, sprangen dann aber mit Fallschirmen ab. Die Bomber wurden dann funkgesteuert von der Besatzung in einer hinten nachfolgenden B-17 übernommen, um die unbemannte, mit Sprengstoff beladene B-17 in ihr vorgesehenes Ziel krachen zu lassen. Das Projekt brachte schlechte Ergebnisse ein und wurde schließlich eingestellt, nachdem eine Reihe von Missionen fehlgeschlagen waren.

Einsatz im Vietnamkrieg

Während des Vietnamkrieges setzte die US Air Force ausgiebig eine Drohne von Ryan Aeronautical mit Unterschallgeschwindigkeit ein, das Modell 147 Lightning Bug, um Aufklärungsmissionen vor und nach einer Bombardierung über den stark verteidigten Gebieten Nordvietnams durchzuführen. Eine weiterentwickelte Version der Lightning Bug, bekannt als Firebee (Feuerbiene), wurde in die Lufträume von Nordvietnam, China und der Sowjetunion geflogen, um dort sowohl Bild- als auch Funk- und Radarsignal-Informationen zu sammeln. Der Einsatz dieser Drohne bewahrte zahlreiche US-Flugzeugbesatzungen sozusagen vor dem Tod, da sie mit großer Wahrscheinlichkeit abgeschossen und getötet worden wären, hätte man diese Missionen mit bemannten Flugzeugen durchführen müssen.

Der Beginn des Zeitalters der Drohnen

Ich hatte in den 1980er-Jahren das Privileg, durch die Tür zur modernen Drohnen-Technologie treten zu dürfen, als das US Marine Corps das in Israel hergestellte UAV Pioneer in Dienst stellte, und dabei mitzuhelfen, eine zuvor auf strategische Missionen beschränkte Technologie weiterzuentwickeln, was deren praktische und taktische Anwendung auf dem modernen Schlachtfeld ermöglichte.

Die Techniken und Verfahren, die das Marine-Korps in den Wüsten nahe der Stadt 29 Palms in Kalifornien perfektionierte, kamen später im Zweiten Golfkrieg 1991 zum Einsatz, wo die Pioneer bei der Aufklärung über gegnerischen Stellungen eingesetzt wurden und um die Feuerunterstützung gegen irakische Ziele zu koordinieren.

Die Pioneer wurde Mitte der 1990er Jahre durch die RQ-1 Predator ersetzt. Die Predator verschaffte dem US-Militär eine größere Reichweite sowie eine längere Verweildauer über dem Ziel und hatte verbesserte Navigations- und Datensensoren. Die Predator wurde von einer Kontrollstation am Boden gesteuert, die sich auf einem Flugplatz befand, von dem aus die Drohne startete und betrieben wurde. Anschließend konnte die Kontrolle auch an eine mobile Bodenkontrollstation übergeben werden, die näher am Einsatzgebiet operierte.

Im Jahr 2001 änderte die US Air Force jedoch im Auftrag der CIA die Art und Weise, wie Drohnen in Zukunft zum Einsatz kommen sollten. Die CIA hatte den Auftrag, Osama Bin Laden zu töten. Die US Air Force montierte eine Hellfire-Rakete an einer RQ-1 und verkoppelte die Drohne dann mit einer Kontrollstation in den USA, die sich im CIA-Hauptquartier befindet. Die Steuerung der RQ-1 erfolgte ferngesteuert über Signale, die durch ein Unterseekabel an eine Satelliten-Relaisstation in Deutschland gesandt  und anschließend mit einem Satelliten verbunden wurden, der direkt mit der Drohne die Verbindung hielt.

Der Krieg gegen den Terror

Die Terroranschläge vom 11. September ereigneten sich jedoch, noch bevor dieses System operativ eingesetzt werden konnte. Die bewaffneten Drohnen RQ-1/MQ-1 wurden dennoch schnell zur bevorzugten Waffe im globalen "Krieg gegen den Terror", mit der Tausende von Militanten getötet wurden – zusammen mit einer beträchtlichen Anzahl unschuldiger Zivilisten. Später wurde eine verbesserte Version der MQ-1 – bekannt als MQ-9 "Reaper" – eingesetzt, die noch länger dauernde Missionen durchführen konnte und mit einem Mix aus Raketen und satellitengesteuerten Bomben bewaffnet war.

Andere Drohnen, wie die RQ-170 mit Tarnkappeneigenschaften, wurden für noch längere Missionsdauer und mit verbesserten Fähigkeiten für Aufklärungsmissionen entwickelt. Es war eine RQ-170, die vor und während der tödlichen Razzia gegen Osama Bin Laden, über seiner Villa in Pakistan kreiste, und Live-Bilder vom Einsatz direkt ins Weiße Haus sendete. Eine andere RQ-170, die über Iran im Einsatz war, wurde von den Iranern abgefangen, erfolgreich im Iran zur Landung gebracht und ermöglichte so, die Drohne und deren Elektronik in Besitz zu nehmen, um sie später für den Einsatz im iranischen Drohnenprogramm nachzubauen.

Die Drohnentechnologie ist zu einem festen Bestandteil moderner US-Kriegsführung geworden, da man die kinetischen Fähigkeiten einer Predator und einer Reaper, mit den Aufklärungsfähigkeiten einer RQ-170, einer RQ-4 Global Hawk und anderer Systeme kombinieren kann, um damit die US-Streitkräfte in Übersee vollumfänglich zu unterstützen. Der Einsatz von Drohnen hat die USA auch in die Lage versetzt, abstreitbare Angriffe auf dem Boden von Nationen durchzuführen, mit denen sie offiziell gar keinen Krieg führen.

Drohnen als Mittel der Deeskalation

Ebenso haben Drohnen auch dazu beigetragen, eine Eskalation von Feindseligkeiten zu verhindern, indem durch den Einsatz von Drohnen das Risiko von Opfern infolge eines Abschusses reduziert wurde. Das vielleicht treffendste Beispiel dafür war der Verlust einer Drohne vom Typ Global Hawk im Juni 2019 durch eine iranische Boden-Luft-Rakete über der Straße von Hormus. Wäre ein ähnlich ausgerüstetes und bemanntes Aufklärungsflugzeug, beispielsweise eine E-8 JSTARS, abgeschossen worden, so hätte dabei der Verlust von 22 US-Besatzungsmitgliedern nach einer erheblichen militärische Reaktion als Vergeltung verlangt. Da jedoch bei dem Abschuss der Global Hawk niemand sein Leben verlor, konnte der Vorfall deeskaliert werden.

Der Erfolg der USA beim Einsatz von Drohnentechnologie hat dazu geführt, dass mehrere Nationen Drohnen in ihr eigenes operatives Repertoire aufgenommen haben. Der Ansatz der USA für den Bau von Drohnen betont jedoch Hochtechnologien, wodurch diese Art von Drohnen für die meisten Länder außerhalb ihrer Budgets lagen. Verschiedene Nationen haben sich jedoch in der Entwicklung und im Einsatz von Drohnen hervorgetan und verwenden erschwingliche, aber dennoch effektive Systeme.

Die fliegenden Bomben Israels

Eine dieser Nationen ist Israel, das eine ganze Familie sogenannter "Selbstmord-Drohnen" entwickelt hat und damit an die Idee der ferngesteuerten B-17-Bomber des Zweiten Weltkriegs und an die Fähigkeiten der MQ-9 Reaper anknüpfte. Mit hochwertigen Sensortechnologie ausgestattet, sind sie im Grunde genommen fliegende Bomben, die ein Zielgebiet überfliegen, ein Ziel identifizieren, und es dann durch Absturz mit hoher Geschwindigkeit zerstören. Diese kleine israelische Kamikaze-Drohne namens Orbiter-1K und die ebenfalls in Israel entwickelte Harop, eine Mischung aus Drohne und Marschflugkörper, wurden Berichten zufolge zusammen mit türkischen Drohnen durch Aserbaidschan während des siegreichen kurzen Krieges gegen Armenien im Jahr 2020 eingesetzt.

Auch die Türkei mischt mit

Die Türkei hat ihre einheimisch hergestellte, bewaffnete Drohne Bayraktar TB2, bei Kampfhandlungen in Syrien und Libyen ausgiebig eingesetzt. Diese kleinen Drohnen verwenden jeweils bis zu vier Stück von kleiner, präzisionsgelenkter Munition, die gegen feindliche Kräfte mit großer Wirkung eingesetzt werden kann. Die Türkei hat die TB2 auch an die Ukraine geliefert, wo sie gegen die von Russland unterstützten Milizen im Donbass eingesetzt wird. Die Türkei hat auch eine eigene Version einer "Selbstmord-Drohne" entwickelt, basierend auf dem Prinzip eines Quadrokopters Kargu-2, die einzeln oder als Teil eines Schwarms von bis zu 20 Drohnen operieren und die meisten Verteidigungssysteme überwinden können.

Iran zieht nach

Iran hat ebenfalls eine einheimische Drohnen-Kompetenz aufgebaut, die 2019 mit großem Erfolg gegen Ziele in Saudi-Arabien zum Einsatz kam, indem die iranischen Drohnen, von Huthi-Rebellen bedient, saudische Ölförderanlagen schwer beschädigten. Erst vor Kurzem wurden fünf iranische Drohnen, die von pro-iranischen Milizen  eingesetzt, um den auf syrischem Boden befindlichen US-Stützpunkt in at-Tanf anzugreifen.

Die jüngsten Einsätze türkischer Drohnen durch die Ukraine im Donbass und iranischer Drohnen in Syrien drohen beide Konflikte in diesen Regionen gefährlich eskalieren zu lassen, indem Streitkräfte aus Russland (im Donbass) und jene aus den USA (in Syrien) in die jeweiligen Kämpfe hineingezogen werden könnten. Obwohl niemand die Effizienz Russlands oder die der USA in Bezug auf Kriegsführung bezweifelt, dient die Fähigkeit ihrer jeweiligen Feinde, tödliche Drohnentechnologie einzusetzen, als kurzfristiger Kräfteausgleich auf dem Schlachtfeld, der nicht nur von Militärkommandeuren vor Ort respektiert werden muss, sondern auch von den politischen Entscheidungsträgern in Moskau und Washington, die sich der technologischen Vorherrschaft auf dem Schlachtfeld nicht mehr sicher sein können.

Da Drohnen immer billiger und leistungsfähiger werden, könnte das Schlachtfeld der Zukunft durch die Schwarmtechnologie bestimmt werden, die bisher nur bei fantastischen Lichtshows wie bei den Olympischen Spielen oder über Mexiko-Stadt zur Feier des "Tages der Toten" für Erstaunen sorgte. Anstatt jedoch einen potenziellen Feind mit einer Lichtshow zu unterhalten, können solche Schwärme beim Einsatz tödlicher Selbstmorddrohnen schnell eine breite Palette von Verteidigungsanlagen überwinden und möglicherweise das Ergebnis auf dem Schlachtfeld zugunsten der Seite verändern, die diese Technologie einsetzt.

Das Gesicht des Krieges verändert sich zweifellos, denn die Drohnentechnologie ist nicht mehr ausschließlich den Großmächten vorbehalten.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und Autor von "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen. Man kann ihm auf Twitter unter @RealScottRitter folgen.

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